IHKVV: Tantiemen in der IHK-Berlin …

Intransparentes Procedere

Nachdem auf der Vollversammlung vom 15.6.16 mein Fragenkatalog zum zweiten Mal nicht erörtert wurde, sagte mit Herr Eder eine schriftliche Beantwortung zu.  Die Antworten lassen eindeutig darauf schließen, dass hier seit Jahrzehnten Vereinbarungen ausschließlich zwischen Präsident/Präsidentin und dem Hauptgeschäftsführer hinsichtlich des Dienstvertrages und der Vergütung beschlossen wurden.

Die Antwort auf folgende Fragen:

a) wer definiert Zielvorgaben für die Extravergütung in Höhe von € 50.000 p.a. ?

b) wer überprüft das Erreichen dieser Zielvorgaben?

c) wer setzt die Gehaltshöhe des Hauptgeschäftsführers fest?

heißt bisher:  Präsident und Hauptgeschäftsführer, vertraulich und zu zweit.

Hier meine unterstrichenen Fragen und die Antworten, z.T. in Farbe kommentiert:

Sehr geehrter Herr Dobat,

Herr Eder hatte mich informiert, dass Sie verschiedene Fragen zum Gehaltssystem der IHK Berlin gestellt haben, und mich gebeten, diese zu beantworten. Das mache ich natürlich gerne:

1. Wie sind Zielvorgaben und Tantiemen für IHK-Mitarbeiter grundsätzlich definiert und welche Mitarbeiter haben individuelle Zielvorgaben?

Vorab ein Hinweis zum Begriff „Tantieme“, der auf das Gehaltssystem der IHK Berlin nicht anwendbar ist: Bei Tantiemen handelt es sich um einen vom Unternehmenserfolg abhängigen variablen Anteil der Vergütung, der in der Regel nur Mitgliedern des Managements bzw. leitenden Angestellten gewährt wird. Das Gehaltssystem der IHK Berlin sieht demgegenüber für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter variable Vergütungsanteile vor. Für die insgesamt neun Funktionsgruppen (vom einfachen Sachbearbeiter bis zum Geschäftsführer) wurden Marktgehälter aus Vergleichsgruppen ermittelt. Von diesen Marktgehältern wird ein prozentual je Funktionsgruppe festgelegter Anteil abgezogen, der nur dann ausgezahlt wird, wenn dies durch die individuelle Leistung in dem entsprechenden Jahr gerechtfertig war. Das volle Gehalt wird danach nur dann ausgezahlt, wenn die individuelle Leistung des Einzelnen, die jährlich beurteilt wird, dies rechtfertigt.

Die Berechnung des variablen Vergütungsanteils erfolgt auf Basis einer individuellen Leistungsbeurteilung (anhand von Kriterien, die auf die einzelnen Funktionsgruppen zugeschnitten sind) sowie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Ziele vereinbart haben, anhand des Zielerreichungsgrades.

Die Grundsätze zu Zielvereinbarungen sind in einer Dienstvereinbarung folgendermaßen formuliert:

„Mit allen Mitarbeitern können individuelle Ziele vereinbart werden. In den Funktionsgruppen 1 bis 6 müssen individuelle Ziele vereinbart werden. Für alle Funktionsgruppen gilt, es dürfen maximal fünf Ziele vereinbart werden. Mitarbeiter der Funktionsgruppen 1 und 2 (Führungskräfte) müssen mindestens drei Ziele vereinbaren. In den Funktionsgruppen 3 und 4 (Branchenkoordinatoren und wissenschaftliche Mitarbeiter/innen) liegt die Mindestanzahl der zu vereinbarenden Ziele bei zwei. In den Funktionsgruppen 5 und 6 (Teamkoordinatoren und Ausbildungsberater) muss mindestens ein Ziel vereinbart werden. Die Funktionsgruppen 7 und 8 (Sachbearbeiter/innen und Assistenzen) können auf freiwilliger Basis Ziele vereinbaren. Sollten sie keine Ziele erhalten, richtet sich die Höhe des variablen Vergütungsanteils ausschließlich nach der Leistungsbeurteilung.

Die Vereinbarung von individuellen Zielen erfolgt unter Nennung

des Ziels;

des Zeitpunkts, bis zu dem es erreicht sein soll;

der Rahmenbedingungen;

der Meilensteine;

der Kriterien zur Feststellung der Zielerreichung.“

2. Wie und wo sind Zielvorgaben für eine Tantieme des Hauptgeschäftsführers formuliert?

In einer Zusatzvereinbarung zum Dienstvertrag von Herrn Eder ist formuliert, dass er einen Bonus erhält, der auf der Erreichung von Zielen basiert, die zwischen dem Präsidenten / der Präsidentin der IHK Berlin und ihm vereinbart werden. Die Ziele orientieren sich am jährlichen Arbeitsprogramm der IHK Berlin. Die Zielerreichung wird dokumentiert, indem alle Produkte, die aus der Zielerfüllung heraus entstanden sind (wie z.B. Positionspapiere) archiviert werden. Die Höhe der Bonuszahlung ist abhängig von der erfolgreichen Umsetzung der Zielvereinbarung, über die der Präsident/die Präsidentin befindet.

3. Wer hat die Zielvorgaben für den Hauptgeschäftsführer definiert und beschlossen? 

Der Präsident / die Präsidentin.      ! ! !

4. Sind derartige Zielvorgaben in Körperschaften öffentlichen Rechts in Berlin üblich?

Generell sind Vergütungssysteme mit Zielvorgaben und variablen Vergütungselementen auch im öffentlichen Dienst angekommen. Die einzelnen Vergütungssysteme andere Körperschaften des öffentlichen Rechts kennt die IHK Berlin nicht.

5. Ist die Zulässigkeit solcher vergüteten Zielvorgaben im öffentlichen Dienst rechtlich geprüft?

Unsere Dienstvereinbarungen sowie die vertraglichen Vereinbarungen für den Hauptgeschäftsführer und seine Stellvertreter werden durch unsere Anwälte geprüft und freigegeben. Im aktuellen Prüfbericht des Niedersächsischen Landesrechnungshof über die Prüfung der IHK Hannover heißt es:

„Der Landesgesetzgeber schreibt den landeseigenen Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht vor, nach welchen Regeln sie ihre Mitarbeiter zu vergüten haben. Insbesondere gibt es keine Norm, die der IHK Hannover vorschreibt, sich an das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes zu halten.“

Gleiches gilt für Berlin.

Dazu folgende Anmerkungen :

Durch Weglassen wichtiger Passagen, kann man in jedem Schriftstück passende Argumente finden.

Im aktuellen Prüfbericht des Niedersächsischen Landesrechnungshofs über die Prüfung der IHK Hannover, den Herr Irrgang mit einem Satz zitiert heißt es weiter:

Zitat Irrgang:Der Landesgesetzgeber schreibt den landeseigenen Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht vor, nach welchen Regeln sie ihre Mitarbeiter zu vergüten haben. Insbesondere gibt es keine Norm, die der IHK Hannover vorschreibt, sich an das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes zu halten.

Weggelassene Fortsetzung:… weitergehend nachzulesen im Prüfbericht des Landesrechnungshofs:

Dennoch halten wir es für geboten, dass sich die IHK Hannover als Körperschaftdes öffentlichen Rechts bei der Festlegung ihrer Vergütungen an den im öffentlichenDienst geltenden Maßstäben und Strukturen orientiert, da sie sich durchPflichtbeiträge ihrer Mitglieder finanziert.  (….)

Auf der Ausgabenseite sind der IHK Hannover als Körperschaft des öffentlichen Rechtsdaher nicht die gleichen Spielräume wie einem Unternehmen zuzugestehen. Zudemist die IHK Hannover an die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeitgebunden. (…)

Da die Vollversammlung laut Satzung über die Grundsätze der Vergütung derMitarbeiter beschließt, halten wir es für sachgerecht, wenn die Vollversammlungauch über die Grundsätze der Vergütung des Hauptgeschäftsführers und seiner Stellvertreter beschließt.

Denkbar wäre, dass die Vollversammlung hierfür einen Vergütungsrahmen odereinzelne Kriterien für die Bemessung der Vergütung aufstellt.Denkbar wäre auch die Festlegung einer Unter- und Obergrenze oder eines Mittelwerts der Vergütung.

In Anlehnung an entsprechende Offenlegungsregelungen im Deutschen CorporateGovernance Kodex32 und § 285 Satz 1 Nr. 9 Handelsgesetzbuch (HGB)wäre es unter Transparenzgesichtspunkten zudem wünschenswert, wenn dieIHK Hannover künftig eine individualisierte Offenlegung der Vergütung desHauptgeschäftsführers und seiner Stellvertreter vornähme.

Wir bitten um Stellungnahme“

weiter aus der IHK-Antwort:

6. Seit wann gibt es vergütungsrelevante Zielvorgaben?

Das Zielvereinbarungs- und Beurteilungssystem ist am 1. Januar 2001 in Kraft getreten.

7. Wer beurteilt ob der Hauptgeschäftsführer diese Zielvorgaben erreicht hat?

Der Präsident / die Präsidentin.            ! ! !

8. Wer entscheidet über die Inhalte bei Vertragsverlängerung?

Das Präsidium; wobei Herr Eder wie zugesagt die Vollversammlung rechtzeitig vor der Entscheidung des Präsidiums über die anstehenden Vertragsverhandlungen informieren wird bzw. in der vergangenen Sitzung der Vollversammlung bereits informiert hat.

Anmerkung: das Präsidiumsprotokoll der letzten Vertragsverlängerung gibt nur her, dass der Präsident einem Vizepräsidenten den Auftrag gab, die Vertragsverlängerung mit Herrn Eder gemeinsam vorzubereiten. Über konkrete Vertragsinhalt wurde das Präsidium nicht informiert.

9. Kennt das gesamte Präsidium den Inhalt des Hauptgeschäftsführer -Vertrags, d.h. die Konditionen und Zielvorgaben?

Das Präsidium kennt die Eckdaten des jeweiligen Dienstvertrages, nicht aber die jährlichen Zielvereinbarungen.

Dazu als Zitat der o.g. Landesrechnungshof:

„In Anbetracht der beträchtlichen Höhe der Vergütung des Hauptgeschäftsführershalten wir es zudem unter Transparenzgesichtspunkten für bedenklich, dass lediglichzwei Mitglieder des Präsidiums die Höhe der Vergütung bestimmenund mit Ausnahme des Abteilungsleiters Personal und Organisation keine weiterenPersonen hiervon Kenntnis haben.“

Mit freundlichen Grüßen

Christoph Irrgang

Anmerkung:

Es ist perfide, wenn in der Antwort auf Frage 5 rechtfertigend auf  den Landesrechnungshof eingegangen wird.

Wohl in der Annahme, dass der gesamte Berichtnicht öffentlich zugänglich ist,  werden Passagen – aus dem Zusammenhang gerissen – zitiert. In Kenntnis des Gesamtzusammenhanges entsteht eine völlig andere Deutung.

Es ist eine völlig unakzeptable Antwort auf eine „parlamentarische“ Anfrage. 

Allerdings, die Geheimhaltung hat teilweise ein Ende. Transparenz – wenn auch  noch eingeschränkt –  deutet sich an.  Die veränderte Satzung, die am 21.9.16 beschlossen wurde, sieht vor, dass das gesamte Präsidium über das Gehalt des Hauptgeschäftsführers entscheidet.

Allerdings nicht über die Definition und Gewährung der  „Tantiemen“ für den Hauptgeschäftsführer von z.Z. € 50.000 p.a..  Darüber entscheidet weiterhin  a l l e i n e   die Präsidentin/ der Präsidenten der IHK.

Als ich meine Fragen im Februar 2016 stellte, war die Änderung der Satzung noch nicht absehbar.  Offensichtlich bedurfte es dieser Impulse aus der Basis – möglicherweise auch eines Leserbriefs –  um etwas zu bewegen.

Auch gab es 2016 eine Arbeitsgruppe Satzung und Wahlordnung, der auch ich angehörte. In der  kam das „en deux“ Verhalten bei der Vergütungsregelung kritisch zur Sprache. Erstmalig mit dem Jahresabschluss 2014 wurden auch die Bezüge des Hauptgeschäftsführers in Höhe von € 225.000 plus variable 50.000 p.a. öffentlich.  Hinzu kommt gedeckelt einmalig ein Monatsgehalt eines stellvertretenden Geschäftsführers, falls für Sitze in externen Aufsichtsräten Vergütungen summiert diese Höhe überschreitend bezahlt werden. 

Alles hat seine Zeit.