IHKVV: Reflexionen

Gehaltsstrukturen der Berliner IHK

Obwohl es das ausschließliche Recht der Vollversammlung ist, den Hauptgeschäftsführer (Hgf) zu berufen, hat das Präsidium im September 2011 beschlossen, den 2012 auslaufenden Vertrag des Berliner Hgf mit einer Gehaltserhöhung zu verlängern. Die Vollversammlung wurde zu diesem Vorgang weder konsultiert noch informiert. Auch wusste und weiß die Vollversammlung nicht, wie die Geschäftsführung bezahlt wird.

Es wäre schon interessant zu wissen, in welcher Relation die Bezüge eines IHK-Hauptgeschäftsführers zu anderen Bezügen im öffentlichen Dienst stehen, z.B. zu denen der Senatoren und des Regierenden Bürgermeisters.

Aber offensichtlich ist in dieser Frage deutschlandweit Bewegung. Das Magazin Impuls hat auf seiner online-Darstellung

http://www.impulse.de/unternehmen/:impulse-exklusiv–Kammern-wollen-Gehaelter-ihrer-Fuehrung-offenlegen/1030381.html

zu diesem Thema recherchiert. Danach erhalten die teuersten bayrischen Hgf  ca. 250.000 Euro jährlich.

Interessant dazu, dass der bayrischen Rechnungshof erst durch die gerichtlichen Instanzen gehen musste, bis die großen bayrischen Kammern die Gehaltsdimensionen jetzt veröffentlichten. Weitere ziehen möglicherweise nach.

„Sechs von 18 von impulse befragte IHKs geben an, die Gehälter ihrer ersten Führungsebene demnächst publizierenzu wollen. Darunter sind die Kammern in Berlin, Stuttgart und Essen.“ (aus Impulse)

Wem das spanisch vorkommt?  Dort sagt man zu demnächst mañanaoder „schaun mer mal“ auf bayrisch

ab Juli 2012 kommen neue Einträge immer nach oben

Reflexionen

Reflexionen

In dieser Rubrik sollen grundsätzliche Beobachtungen zum Thema IHK und Pflichtmitgliedschaften aller Art beschrieben werden. Diese Reflexionen sind nicht am Zeitablauf gebunden.  Viele Leser meiner Ausführungen haben große Bedenken, sich mit Klarnamen zu äußern, begrüßen aber meine Initiative und geben thematische Impulse, die mitunter  nur wenig mit der Chronologie zu tun haben.

Ich freue mich über Anregungen und Themen. Diese können Sie mir per Mail an ed1(at)ats(dot)demitteilen.  Wie viel von Ihrer Identität mitgeteilt werden darf, bzw. ob überhaupt,  bestimmen Sie dabei selber.

Scheinbare Parlamente

Diese sind nicht nur die ehemalige Volkskammer, die Duma oder der chinesische Volkskongress.  Es gibt auch in unserer Demokratie eine große Anzahl von  Selbstverwaltungen, die nach scheinbar demokratischen Regeln arbeiten.

Einige Beispiele:

Vertreterversammlungen der ….

Sozialverbände und diverser Pflichtkammern (Handwerkskammern, Architektenkammern usw)

Berufsgenossenschaften 

Volksbanken

und – wie gerade am 1.12.11 in ZDF-Report dargestellt* –

Kassenärztlichen Vereinigungen

*(Hier hatte sich der wiedergewählte Vorstand eine sechsstellige nicht erfolgsabhängige Prämie einverleibt. Inzwischen ermittelt sie Staatsanwaltschaft)

Eines haben diese Organisationen gemeinsam:

a) sie werden von den Mitgliedern nicht als wirkliches Mitwirkungsorgan wahrgenommen, weil sie grundsätzlich nicht transparent sind

b) selbst wenn man in die Vertreterversammlungen gelangt, findet man dort keine echte bzw. fundierte Diskussion, weil die Instrumente eines vorbereitenden Meinungsaustausches bewusst nicht zur Verfügung gestellt werden

c) Entscheidungen werden im Führungszirkel getroffen und im Plenum abgenickt

d) Die gewählten Vertreter im Plenum haben ein schwindendes Interesse an der Mitarbeit, weil sie ihre Machtlosigkeit und damit Nutzlosigkeit erkennen, zumal die Mitarbeit überwiegend ehrenamtlich ist und mit keinen weiteren Vorteilen verbunden ist.

Das psychologische Grundprinzip ist im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ von Christian Anderson nachzulesen: Wer die herrschenden Meinung am Hofe in Zweifel zieht, disqualifiziert sich dort.

Ergebnis: die Pflichtmitglieder zeigen Politikverdrossenheit,  sie ignorieren die Wahl und fühlen sich nicht als mitwirkender Teil der Selbstverwaltung.

Eines ist auch immer gleich: Die Systeme verweigern sich jeder wirksamen Veränderung. Sie benötigen Druck von außen. Der wird allerdings drinnen erst dann wahrgenommen, wenn es weh tut. Zuvor wird er derart verdrängt, dass man sich im Nachhinein über diese Parallelwelten wundert.

So war es kurz vor der französischen Revolution am französischen Hofe undenkbar, dass sich das Volk erhebt. Honnecker glaubte noch 1989: Der Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochsnoch Eselauf und zuvor glaubte man an ein tausendjähriges Reich.

Nun, das sind hoch gehängte Vergleiche mit der Situation in Pflichtkammern. Aber sie weisen darauf hin, dass Menschen, wenn sie einmal an irgendwelche Schaltheben gelangen, diese oft mit Tricks und Manipulationen verteidigen und dabei noch glauben, sie wären zur Machtausübung prädestiniert.

Darum, trotz mancher Nachteile: unser System der Demokratie ist deswegen so wertvoll, weil es Machtablösung durch Wahl vorsieht.  Dieses demokratische Prinzip ist gesetzlich für alle Satzungen von Vereinen, Verbänden, Kammern usw. vorgeschrieben. Wer also immer Wahlen und Abstimmungen manipuliert und sie zur Farce macht, stellt sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung.

Dieses wahrzunehmen und zu schützen ist originäre Mandatspflicht eines jeden Delegierten. Insbesondere, wenn er nicht in ein Führungsgremium berufen ist.

Zensur von Wahlausstatements

Für die IHK-Wahl 2012 wurden 550.000 Euro budgetiert.  Dazu gehört auch, dass für jeden Kandidaten ein individuelles Wahlpaket  erstellt wurde. Das sind 5 DINA2 Wahlplakate, 200 Flyer, mehrere Kugelschreiber, Haftnotizen und Bonbons. Die Bilder für die Plakate und Flyer konnten die Kandidaten in einem vorgegeben Fotostudio anfertigen lassen.

In den Kandidaturunterlagen gab es einen Bogen, wo man in zwei Kästchen mit je maximal 245 Zeichen seine Stärken und Ziele als individu7elles Wahlstatment eintragen konnte.

Auch ich füllte das aus und beschrieb als meine Stärken:

Über 90% der IHK-Mitglieder sind Kleinunternehmen. Deren Interessen will ich weiterhin wahrnehmen. Ichhabe wiederholt auf Defizite hingewiesen. Manches habe ich erreicht, vieles ist noch zu tun. Näheres auf meiner Webseite www.ihkvv.de

Man nahm meine Berbung an. Allerding war sehr erstaunt, dass in der IHK-Zeitschrift und in den Werbeflyern der Satz „Näheres auf meiner Webseite www.ihkvv.de“ fehlte. Es gab zuvor keinen Hinweis aus der IHK, dass man meinen Text nicht akzeptiert. 

Das ist Zensur.  Ich habe den Hauptgeschäftsführer Eder in meinem Schreiben vom 2.5.12darauf hingewiesen und um eine Erklärung gebeten.

Wenn die Vollversammlung nicht funktioniert

Auf Youtoube gibt es einen interessanten Beitrag einen von  ZDF-Kontraste.

Wenn eine Vollversammlung nicht informiert wird, bzw. keine Informationen und Mitwirkungsrechte einfordert, drohen Auswüchse. Auch in Berlin wissen wir selbst als Vollversammlungsmitglieder nicht, wie die Vergütungen und Pensionsverpflichtungen der Kammerangestellten strukturiert sind. Wir wissen aber, dass es mehr Pensionäre mit einer IHK-Zusatzversorgung gibt als aktive Mitarbeiter. Für Pensionsrückstellungen müssen die Beitragszahler einen hohen zweistelligen Millionenbetrag aufbringen.

Interessant ist auch, dass es einen Haushaltsausschuss der Vollversammlung gibt, die der Vollversammlung den Haushalt und das Budget erläutert und um die Verabschiedung ersucht. Dieses Ausschuss wird nicht direkt von der Vollversammlung gewählt. Er wird vom Präsidium bestellt.

Als die Vorsitzende dieses Ausschusses am 13.1.2012 den Haushalt erläuterte, fragte ich, wie denn das Bonisystem für die Mitarbeiter geregelt sei. Sie antwortete, sie wisse es nicht. Ende der Debatte. Es ist noch zu erwähnen, dass neben ihren Bezügen die IHK-Mitarbeiter noch mit einem Bonussystem unter Leistungskriterien bedacht werden.

Meine Auffassung:Für gute Arbeit sollen Mitarbeiter auch gutes Geld bekommen.  Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Mitarbeiter, der seine Arbeit korrekt macht, mit Bonis bedacht wird, die man aus dem Topf der Beitragszahlungen von Pflichtmitgliedern bedient.

Jeder Arbeitgebger, der einen Betrieb als Eigentum betreibt, kann seiner Belgschaft nach eigenem Ermessen für jedenzusätzlichen Ertrag belohnen wie er will. Er kann auch eine großzügige Altersversorgung gewähren.

Eine IHK hingegen ist eine halbstaatliche Organisation. Pflichtmitglieder haben einen Anspruch, dass nicht auf Gutsherrenart in den Beitragstopf gegriffen wird. Und sie haben einen Anspruch, dass ihre Vertreter in der Vollversammlung informiert sind und darüber entscheiden.

Dazu muss man wissen: 

Wenn die Vollversammlung erstmalig zusammentritt, erhält sie ca. 2-3 Wochen zuvor die Tagesordnung zur konstituierenden Sitzung. Diese enthielt die Wahl des Präsidiums. Alle 12 Kandidaten waren darin aufgeführt und es wurde angeboten, diese enbloc durch Handzeichen zu wählen. Die gemeinen Vollversammlungmitglieder, etwa 50% erstmalig darin, hatten keine Möglichkeit, an dieser Kandidatenauswahl mitzuwirken.

So entsteht also ein Präsidium, das dann in vertraulichem Verfahren diejenigen Personen ernennt, die dann den Haushalt kontrollieren. Die Vollversammlung ist an diesem Procedere nicht beteiligt.

Gültigkeit von Mehrheitsentscheidungen der Vollversammlung

Auf der Vollversammlung am 6.6.12 wies mich Herr Dr. Schweitzer vom Podium zurecht. „Wir sind kein Kleingartenverein, sondern eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ich möge – insbesonder hinsichtlich der Nichtveröffentlichung von Wahlergebnissen – Mehrheitsentscheidungen der Vollversammlung akzeptieren. Immerhin, so erwähnte er, hat auch die Senatorin für Wirtschaft, Frau von Obernitz (zuvor IHK-Mitarbeiterin), mir geschrieben,dass die IHK-Vollversammlung das beschlossen hätte und es somit gelte.“

Anmerkung: Übrigens hat ähnlich auch der Regierende Bürgermeister Wowereit antworten lassen.Er selber sei für Transparenz, aber zuständig sei die Senatorin.

Meine Erwiderung in der Vollversammlung:

Ja, wir sind kein Verein. Wir sind eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Daher geltem für die IHK die gleichen Publikationspflichten wie in allen demokratischen Parlamentsstrukturen. Nämlich, dass die zur Wahl aufgerufenen Pflichtmitglieder  ein unabdingbares Recht darauf haben, das Wahlergebnis hinsichtlich Stimmenanzahl, auch für jeden Kandidaten, jeder Wahlgruppe und Wahlbeteiligung vollständig zu erfahren.

Keine IHK-Vollversammlung darf demokratische Grundsätze nach Gutdünken außer Kraft setzen.

Sollte die Vollversammlung mehrheitlich beschließen, dass IHK-Mitglieder ihre Azubis ohrfeigen dürfen, müssten wir dann auch diesem Beschluss gehorsam akzeptieren?