Die IHK versucht einen unbequemen Kritiker, ein Mitglied der Vollversammlung, mit einer Klage zu bestrafen
Könnte man sich vorstellen, der Regierende Bürgermeister würde ein Mitglied des Abgeordnetenhauses kostenpflichtig abmahnen und verklagen, weil dieses Vorgänge im Senat kritisiert?
Die IHK-Administration verfährt gegenwärtig so mit einem Mitglied der Vollversammlung, ihrem quasi-parlamentarischen Kontrollgremium.
Die IHK ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts. IHK-Zugehörige (so genannte Mitglieder) sind gesetzlich verpflichtet, der IHK Beiträge zu zahlen. Das sind quasi Steuern. Zur Kontrolle des IHK Haushaltes und anderen gesetzlichen Vorgaben gibt es eine Vollversammlung. Deren ehrenamtliche Mitglieder werden direkt und geheim von den IHK-Zugehörigen alle 5 Jahre gewählt.
Die Vollversammlung wird auch von der IHK Parlament der Wirtschaft genannt. Von ihren frei und geheim gewählten Delegierten erwarten die meist unfreiwillig zahlenden Mitglieder, dass sie über die sparsame Verwendung der Mittel wachen und Transparenz der Verwaltung, wie im öffentlichen Dienst vorgeschrieben, einfordern.
Das Vollversammlungsmitglied, Herr Rainer Janßen, hat, nachdem erstmals die Bezüge und die von ihm als Tantiemen bezeichneten Zuschläge des Hauptgeschäftsführers veröffentlicht wurden, in einem Leserbriefim Tagesspiegel vom 17.1.2016 die Meinung geäußert: „Eine IHK sollte keine Tantiemen zahlen“.
Der Hauptgeschäftsführer fühlte sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und schaltete sofort am nächsten Werktag die Hauskanzlei Raue ein. (Kosten dafür am 18.2.16 von der IHK aus Beitragsmitteln bezahlt: € 1.884,96) Der Leserbriefschreiber wurde daraufhin unverzüglich am 25.1.16 wegen angeblicher ehrenrühriger und unwahrer Äußerungen abgemahnt.
Herr Janßen wollte sein Ehrenamt ersthaft wahrnehmen, aber auch die Angelegenheit gütlich beenden. Er hat einen Beruf, der ihn fordert. Er unterschrieb am 29.1.16 unter Zeitstress, dass er diese Äußerungen nicht wiederholen würde und bedauerte, dass sich der Hauptgeschäftsführer ehrenrührig verletzt fühlte. Er bestritt jedoch falsche oder ehrenrührige Äußerungen in seinem Leserbrief gemacht zu haben und wies jegliche Abmahnkosten zurück. Diese wurden gemäß der Anwalts-Gebührenordnung mit € 887,03 beziffert.
Eigentlich war der Hauptgeschäftsführer als Veranlasser der Abmahnung persönlicher Schuldner der Anwaltskanzlei. Er ließ diese, d.h. seine Anwaltskosten unverzüglich von der IHK bezahlen. Sieben Monate später, am 20.9.16, versuchte er diese private Schuldübetragung an seinen Arbeitgeber (IHK) mit einem Zessionsvertrag zu legalisieren.
Am Folgetag, dem 21.9.16 sollte die Vollversammlung darüber entscheiden, ob die IHK die Abmahnkosten von Herrn Janßen einfordern sollte. Es wurde von der Versammlungsleitung dargelegt, Herr Janßen hätte sich unterworfen und wolle die Kosten nicht zahlen.
Unaufgeklärt über die strittige Rechtslage und den Klagerisiken und -folgen und ohne dass über Inhalt des Leserbriefes diskutiert wurde, entschieden 13 von 97 Mitgliedern der Vollversammlung (das war die Hälfte der noch 26 Anwesenden) unter Zeitdruck am Ende einer überlangen Sitzung, dass der Leserbriefschreiber zu einer Kostenerstattung gezwungen werden soll.
Ein Jahr nach dem Leserbrief, am 16.1.2017 erreichte die Klageschrift Herrn Janßen. .
Die Klage verlor später die IHK. Sie ging in Berufung. Bis Juni 2018 hatten die IHK Beitragszahler nach Auskunft der IHK-Leitung bereits € 16.000 Euro !!!!! investiert, um die € 887,03 einzuklagen.
Der Berufungsprozess vor dem Landgericht ist auf den 23.5.2019 terminiert.
Fazit: Nach meiner Rechtsauffassung ist die Klage unwirksam, unbegründet, einschüchternd, verletzend und beleidigend. Es ist Aufgabe dieses „Parlamentariers“ sich kritisch und kontrollierend mit dem IHK-Haushalt zu beschäftigen. Ein Hauptgeschäftsführer darf seinen Kontrolleur deswegen nicht abmahnen. Da die Abmahnung privat veranlasst wurde, hat er auch seine Kosten selber zu tragen. Die Zahlung durch die IHK und auch der Versuch, die Zahlung durch die IHK nachträglich zu legitimieren könnte rechtswidrig sein.
Das hat die Rechtsaufsicht, die Senatsdienststelle für Wirtschaft, vertreten durch die Senatorin Ramona Popp, zu prüfen.
Ich schrieb am 22.2.1017 eine Beschwerde an die Rechtsaufsicht.Am 21.4.17 erhielt ich folgende Antwort.
Zwischenzeitlich, am 3.4.17, hatte auch der FDP- Abgeordnete Marcel Luthe eine Anfrage an den Senat gerichtet, die am 26.4.17 beantwortet wurde. Hier die Antwort der Senatorin Pop.
Beachtenswert ist die Antwort zu Nr. 3. zur Frage, ob es im öffentlichen Dienst honorierte Zielvorgaben gibt.
Gefragt wird nach einer Vergleichbarkeit mit der IHK. Geantwortet wird mit Hinweisen auf unvergleichbare Unternehmen, Es werden Beispiele aus Anstalten öffentlichen Rechts (AöR) geben aufgeführt. Es wird keine Körperschaft öffentlichen Rechts (KöR) erwähnt. Die IHK ist jedoch ein KöR. Wegen der Eigenschaft einer Behörde (KöR) muss sich diese an das Haushaltsrecht bzw. Grundsätze des öffentlichen Dienstes halten.
Bei einer AöR handelt es sich dagegen um Unternehmensformen. Hier gelten die Regeln von Juristischen Personen im Unternehmens- und Handelsrecht.
Ergebnis: offensichtlich ist die IHK die einzige KöR, die sich derartige Gehaltstrukturen geschaffen hat. Die Aufsichtsbehörde windet sich und hält sich raus.