IHKVV: IHK Thema im Abgeordnetenhaus

FDP Anfrage im Abgeordnetenhaus

Eine Anfrage des FDP Abgeordneten Marcel Luthe zur IHK vom 3.4. wurde am 26.4.17 von der SenatsverwaltungWirtschaft beantwortet.

Das Originaldokument finden Sie hier :Fragen undSenatsantwort

Dazu sind Anmerkungen notwendig.Einige Antworten haben nach meiner Ansicht Rechtsfehler.Hier meine Kommentierungen:

Frage 1 wird durch die Antwort bestätigt, das dieSenatsverwaltung für Wirtschaft die zuständige Rechtsaufsicht der IHK Berlin ist.

Frage 2:Sind – und wenn ja, welche – Vorgaben hinsichtlich der Vergütung von Leitenden Mitarbeitern der IHK zu beachten, insbesondere die sich aus der Stellung als KöR ergeben?

Antwort 2.:Nein, aus den für Industrie- und Handelskammern (IHKn) allgemein geltenden rechtlichen Bestimmungen ergeben sich keine Vorgaben für die Vergütung von leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Industrie- und Handelskammer zu Berlin (IHK Berlin).

Anmerkung:Das ist nicht richtig. Körperschaften des öffentlichen Dienstes sind zur sparsamen Haushaltsführung verpflichtet. Die IHK und andere Kammern in Berlin unterliegen nur dann nicht der Prüfung durch den Landesrechnungshof, wenn gewährleistet ist, dass sie den Grundsätzen der LHO entsprechend geprüft werden. (§ 111 (2) LHO)

Mehr dazu im Bericht des Niedersächsischen Landesrechnungshof nach der Prüfung der IHK Hannover 2015: http://www.ihkvv.de/dazu-rechnungshof-fordert-gehaltstransarenz/

IHK-Pflichtbeiträge sind Steuern gleichzusetzen. KöR müssen entsprechend den Grundsätzen der LHO wirtschaften.

§ 3(2) IHK-Gesetz:Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarungunter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

Eine jährliche Vergütung des Hauptgeschäftsführers in Höhe von € 220.000zzgl. € 50.000 variable zzgl. 1 Monatsgehalt für diverse Beiratsfunktionen entsprechen keiner sparsamen Haushaltsführung.

Der Vergleich mit anderen staatlichen Behörden oder Diensten zeigt eine unakzeptable Ungleichheit. Die Berliner IHK hat ca. 260 Mitarbeiter. Der Polizeipräsident hat ca. 16.000 Mitarbeiter.Die Vergütung des Polizeipräsidenten beträgt weniger als die Hälfte der Vergütung für den IHK-Hauptgeschäftsführer

Die Ursache dieser Ungleichheit liegt darin, dass die Rechtsaufsicht über viele Jahre die Selbstverwaltung in der IHK nicht überprüft hat.Die Gründe mögen in einer zu nahen persönlichen Verquickung zwischen Politik und Kammern liegen, was hier aber nicht dargelegt werden soll.

Auch war die sog. Selbstverwaltung der IHK dermaßen intransparent, dass die Öffentlichkeitüber das Vergütungssystem nicht informiert war. Selbst die Vollversammlungen und auch das Präsidium in Berlin hattebis Ende 2015 keine Kenntnis über die Spitzengehälter in der IHK.Grundsätzlich ging die Rechtsaufsicht Beschwerden über das Kammerwesen erst nach, wenn oberste Verwaltungsgerichte auf Rechtsvorschriften hinwiesen.Reformbemühungen aus den Vollversammlungen konnten meist erst im Klageverfahren durchgesetzt werden.

Beispiele: 

– Hinweise auf Kooptationsmanipulationen, 

– Veröffentlichung von IHK-Wahlergebnissen 

– Auskünfte über die Höhe von Geschäftsführervergütungen wurden erst zurückgewiesen. Sie wurden dann in manchen Kammerbezirken gerichtlich erzwungen und führen erst in jüngster Vergangenheit zu einer merkbaren Veränderung im Kammerwesen der IHKn. 

Dabei ist in der Berliner IHK hinhaltender Widerstand zu beobachten. Kritische Anträge aus der Basis der Vollversammlung werden in der Tagesordnung so platziert, dass es zu keiner ausreichenden Erörterung kommt.

Frage 3:  Gibt es im öffentlichen Dienst des Landes Berlin variable Zielvorgaben, deren Erreichung vergütet wird? Wo werden diese exemplarisch angewandt?

Antwort: Zu 3.: Ja, hierzu wird exemplarisch verwiesen auf die Geschäftsberichte der Berliner Wasserbetriebe AöR (Jahr 2015, S. 85), der Berliner Stadtreinigung AöR (Jahr 2015 S. 82) und der BVG AöR (Jahr 2015, S. 60). …….

Anmerkung:Die Antwort geht nicht auf die Frage ein. Es werden Beispiele aufgeführt, die nicht vergleichbar mit der IHK sind.

Eine Körperschaft öffentlichen Rechts gehört zum öffentlichen Dienst. Nicht gleichermaßen hingegen sind die in der Antwort genannten Wasserbetriebe, BSR, BVGusw.Das sind selbständige juristische Personen, in Rechtsformen von GmbHsoder auch Anstalten öffentlichen Rechts. Deren Haushalt wird Einnahmen z.B. Verbrauchskosten oder Eintrittsgelder finanziert. Defizite gleicht der öffentliche Haushalt aus. Gewinne fließen in den Haushalt. Für diese gilt grundsätzlich das öffentliche Gesellschaftsrecht. Einige unterstehen der Kontrolle der LHO und somit auch dem Landesrechnungshof. Diese Unternehmen und Organisationen sind nicht mit einer Pflichtkammer zu vergleichen. Eine IHK ist kein Gewerbebetrieb. 

Zum letzten Absatz: Darüber hinaus entsprechen variable Gehaltsanteile grundsätzlich dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.

Dem kann in Bezug auf die IHKwegenfehlender Transparenznur widersprochen werden

Frage 4:  Falls es diese gibt, wie werden diese Zielvorgaben festgelegt? Wäre es in diesem Zusammenhang zulässig und entspräche es der vom Senat gewünschten Transparenz, wenn allein eine Person die Zielvorgaben kennen und allein darüber entscheiden würde, ob diese erreicht worden sind?

Antwort 4:Sowohl im privatrechtlichen als auch im öffentlich-rechtlichen (Unternehmens-) Bereich gibt es nach dem jeweiligen Fachrecht, ergänzt um das zugehörige Satzungsrecht, diesbezüglich Regelungen, durch welches Organ oder welches Gremium die Festlegung von Zielvorgaben erfolgt. Soweit das Fachrecht dies zulässt, ist auch die Übertragung dieser Kompetenzen auf eine Person rechtlich möglich.

Anmerkung:Bei der IHK ist ein anwendbares Fachrecht nicht nachvollziehbar. Seit 2001 gibt es in der Berliner IHK Zielvorgaben für den Hauptgeschäftsführer. Diese waren bis Ende 2015 inhaltlich der Vollversammlung und dem Präsidium nicht bekannt. Es war der Vollversammlung und damit demobersten Haushaltsbeschlussgremium nicht einmal bekannt, dass es diese gab.

Auf meinen Fragenkatalog antwortete der IHK-Justitiar Christoph Irrgang im Sommer 2016:

6. Seit wann gibt es vergütungsrelevante Zielvorgaben?

Das Zielvereinbarungs- und Beurteilungssystem ist am 1. Januar 2001 in Kraft getreten.

7. Wer beurteilt ob der Hauptgeschäftsführer diese Zielvorgaben erreicht hat?

Der Präsident / die Präsidentin.

Anmerkung: Die rechtliche Zulässigkeit, eine Zielvorgabe an den Hauptgeschäftsführerhinsichtlich inhaltlicher Gestaltung und Erfüllung an eine Person, hier also dem Präsidenten, zu übertragen muss bestritten werden.Eswiderspricht einer Satzungsregelung: (§ 13: Gegenüber dem Hauptgeschäftsführer wird die IHK durch den Präsidenten und einen Vizepräsidenten vertreten)Es ist ein Satzungsverstoß gewesen,wenn der Präsident alleineüber die Zielvorgabe in Höhe von € 50.000 nach eigenemErmessenentscheidet.

Das dieses Verfahren nicht andauern darf, ist demHinweis zu entnehmen, dass das deutsche Kammerwesen im Begriff ist, das Vergütungsverfahren transparent zu machen.

Frage 5:  Ist dem Senat bekannt, dass der Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin eine variable Vergütungskomponente erhält, deren Zielvorgaben allein mit dem IHKPräsidenten vereinbart werden?

Antwort 5.: Der Sachverhalt ist dem Senat bekannt. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Praxis rechtlich nicht unterbunden werden kann. ……

Anmerkung:Selbstverständlich kann und muss es rechtlich unterbunden werden. Ab Ende 2016 regelt die IHK Satzung, dass das gesamte Präsidium über die Vergütung des Hauptgeschäftsführers entscheidet.Wenn am 13.1.17 die Vollversammlung in einer fragwürdigen Nachspielzeit der Vollversammlung in größter Eile und auf Ersuchen der Präsidentin entschieden hat, dass über die Bedingungen und die Auszahlungsgenehmigung der „Tantieme“ allein und vertraulich wie bisherallein die Präsidentin entschieden soll, dann ist das ein Satzungsverstoß.

Aus obigen Anmerkungen zu Antwort 4 ergibt sich, dass die angefragte Praxis in der Berliner IHK rechtlich unzulässig ist. Sie muss von der Rechtsaufsicht unterbunden und – soweit nicht verjährt – auch rückwirkend überprüft werden.

Den bisherigen Satzungsverstoß hat offensichtlich noch niemand bemerkt.

Erst Ende 2016 wurde mit der Satzungsänderung auch das gesamte Präsidium in das Vergütungsprocedere für den Hauptgeschäftsführereinbezogen. Insofern bezieht sich die Antwort nicht auf den angefragten Sachverhalt des bisherigen Verfahrens. 

Es wird mangels eines konkreten Beweises bestritten, dass ein Präsidium bei Abschluss des Anstellungsvertrages mit dem Hauptgeschäftsführer wie behauptet über die Konditioneneinen Beschluss fasste und die Zusatzvereinbarung inhaltlich kannte bzw. kennt. Die Präsidiumsprotokolle lassen das nicht erkennen.

Der Hinweis, dass die Vollversammlung am 13.1.2017 explizit darauf verzichtete, Kenntnis von den variablen Gehaltsbestandteilen zu erhalten,beweist, dass die Rechtsaufsicht  Beschwerden aus der Vollversammlung nicht angemessen, sondern vielmehr ohne gründliche rechtliche Prüfungparteilich reagiert. Dieser Beschluss kam nach dem kategorisch angekündigtem Ende der Vollversammlungssitzung (ab 17.00 Uhr wurde der Saal anderweitig benötigt) unter extremen Zeitdruck (Aufruf des TOP um 17.05 – Ende der Versammlung 17.15) und ohne angemessene Erörterung zustande. Das ist ein weiterer Beweis, wie durch Tagesordnungsmanipulationen Vollversammlungsbeschlüsse in eine gewünschte Richtung gelenkt werden. 

Dass dieser Beschluss der öffentlichen Kritik nicht standhält ergibt sich aus dem nachfolgenden Hinweis auf Reformbemühungen des DIHK.Eine korrekte Antwort zu TOP 5 wäre, dass auch die Rechtsaufsicht der Auffassung ist, dass dieses Procedere unterbunden werden muss.

Frage 6.: Ist beabsichtigt – wenn nein, weshalb nicht – die IHK Berlin – ähnlich wie die IHK Hannover im Jahr 2015 wegen der intransparenten Vergütungsregelung – durch den Landesrechnungshof prüfen zu lassen?

Antwort 6:

Zu 6.: Gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 Landeshaushaltsordnung Berlin (LHO) unterliegt die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Kammern der Selbstverwaltung der Wirtschaft nicht der Prüfung durch den Rechnungshof, da eine den Grundsätzen der LHO entsprechende Prüfung gewährleistet ist.

Anmerkung:Eine KöR ist an die LHO gebunden.Wie bereits zu Frage 2 ausgeführt,verpflichtet die LHO zu einer sparsamen Haushaltsführung.Eine unangemessen hohe Besoldung, die durch jahrelangesvorsätzliches Verschweigen nicht öffentlich bekannt war,ist keine sparsame Haushaltsführung. Wenn zugleich die Vollversammlung durch fehlende Unterrichtung das bisher in Unkenntnis genehmigte, dann ist das ein Fehlverhalten des Präsidentengemeinsam mit dem nichtnachfragenden Präsidiums.

Somit ist das ein Fall, bei dem die Rechtsaufsicht den Landesrechnungshofmit der Prüfung beauftragen muss. Es ist ohnehin nicht nachzuvollziehen,warum in Berlin die IHKim Gegensatz zu anderen Bundesländern, z.B. explizit Niedersachsen,nicht der Prüfung durch den Landesrechnungshof unterliegt. Hier muss die Politik den § 111 LHOdem Transparentsgebot entsprechend ändern. Die Vorgänge in der Kassenärztlichen Vereinigung in Berlin untermauern diese Notwendigkeit.

Frage 7.:  Ist der Senat der Auffassung – mit welcher Begründung? – ob es zulässig ist, dass die IHK Berlin wegen kritischer öffentlicher Meinungsäußerungen zu diesen Vergütungsfragen gegen Mitglieder der IHK-Vollversammlung, also von den IHK-Zugehörigen direkt gewählte Mandatsträger rechtlich vorgeht und die anwaltliche Vertretung aus den Mitgliedspflichtbeiträgen bestreitet?

Antwort 7.: Wie jedem Bürger ist es auch juristischen Personen, also auch der IHK Berlin, gestattet, sich mit anwaltlicher oder auch gerichtlicher Hilfe gegen falsche Behauptungen, soweit diese sich gegen sie und ihre Organe richten, zu wehren, insbesondere, wenn diese öffentlich vorgetragen werden. Hierbei ist es aufgrund des bestehenden Dienstverhältnisses üblich, dass der Arbeitgeber bzw. der Dienstherr die Rechtsverfolgungskosten für die oder den konkret Betroffene/n trägt

Anmerkung:Die Vollversammlung der IHK wird als Parlament der Wirtschaft bezeichnet. Wenn ein Parlamentarier in der Vollversammlung durch Tagesordnungstricks kein Gehör findet, dann ist es legitim und durch § 193 StGB zusätzlich gerechtfertigt,wenn er als Mandatsträger seine Wähler mit einem Leserbrief auf kritikwürdige Zustände hinweist. Sein Anliegen war in der Überschrift deutlich und als Meinungsäußerung zulässig: „Die IHK sollte keine Tantiemen bezahlen“.(www.ihkvv.de)Wenn der Hauptgeschäftsführerschon am nächsten Werktag anwaltlich gegen den Leserbriefschreiber vorgeht, dann ist das eine unangemesseneRepression, bei der Steuergelder aus IHK Beiträgen verwendet wurden.

Die Rechtsaufsicht kannte explizit den Rechtsstreit. Ich hatte ihnin meinerBeschwerde vom 22.2.17 ausdrücklich thematisiert.Es ist unzulässig, wenn die Rechtsaufsicht in diesem noch schwebenden Verfahren erklärt, das beklagte Vollversammlungsmitglied hätte falsche Behauptungen aufgestellt. Das ist für den Betroffenen beleidigend und ehrverletzend und beweist erneut die unakzeptable Parteilichkeit der Aufsichtsbehörde.Sie wäre gut beraten gewesen, die Klageschrift und Klageerwiderung durch ihre Hausjuristen prüfen zu lassen.

Es wirdin Kürze ein ordentliches Gericht beurteilen, ob die IHK möglicherweise ein Verfahren angestrengt hat, das in mehreren Hinsichten Rechtsfehler aufweist. Es kann zudem der IHK, aber auch der Rechtsaufsicht, erheblichen Schaden im öffentlichen Ansehen zufügen.